Opferhilfegesetz wird überarbeitet - Bundesrat schickt den Revisionsentwurf der Expertenkommission in die Vernehmlassung

Bern, 19.12.2002 - Das vor zehn Jahren in Kraft getretene Opferhilfegesetz hat sich im Wesentlichen bewährt und hat in vielen Fällen eine wirksame Hilfe ermöglicht. Es ist aber in gewissen Punkten überholungsbedürftig. Der Bundesrat hat deshalb am Mittwoch den Revisionsentwurf einer Expertenkommission bis zum 10. April 2003 in die Vernehmlassung geschickt.

Die Vorlage ist als Totalrevision des Opferhilfegesetzes ausgestaltet. Sie orientiert sich jedoch stark am bisherigen Recht, das in zahlreichen Punkten ergänzt wird. Die wichtigsten Neuerungen des Entwurfs betreffen die opferhilferechtliche Genugtuung, deren Abschaffung von verschiedenen Kantonen zur Diskussion gestellt worden war. Die vom Neuenburger alt Staatsrat Jean Guinand geleitete Expertenkommission schlägt vor, die Genugtuung beizubehalten, weil sie dem Befürfnis des Opfers nach sozialer Anerkennung entspricht. Genugtuungen sollen aber in Zukunft nur noch bis zu einem Höchstbetrag möglich sein, der sich am maximalen versicherten Jahresverdienst in der Unfallversicherung orientiert. Opfer sollen höchstens 2/3, Angehörige höchstens 1/3 dieses Betrages erhalten (gemäss aktuellen Ansätzen 71 200 CHF bzw. 35 600 CHF).

Zur Kosteneindämmung - der Aufwand der Kantone für Genugtuungen betrug im vergangenen Jahr rund 8 Mio. CHF - schlagen die Experten zudem restriktivere Voraussetzungen vor: Danach soll ein Anspruch auf Genugtuung nur bestehen, wenn die Straftat zu einer schweren Beeinträchtigung des Opfers geführt hat, die sich während längerer Zeit auf die Arbeitsfähigkeit, die ausserberuflichen Tätigkeiten oder die persönlichen Beziehungen auswirkt. Ferner soll die Genugtuung herabgesetzt oder ausgeschlossen werden, wenn das Opfer (z.B. durch riskantes Verhalten) zur Entstehung oder Verschlimmerung der Beeinträchtigung beigetragen hat.

Fristen verlängert

Die Frist, um eine Entschädigung oder Genugtuung geltend zu machen, soll von zwei auf fünf Jahre verlängert werden. Eine längere Frist gilt für Kinder, die Opfer eines Sexualdelikts oder einer anderen schweren Tat geworden sind.

Opferhilfe nach einer Straftat im Ausland

Weiter regelt der Vorentwurf die Voraussetzungen und den Umfang der Opferhilfe, wenn die Straftat im Ausland begangen worden ist. Nach Ansicht der Expertenkommission soll die Hilfe der Beratungsstellen auch jenen Personen zuteil werden, die auf einer Auslandreise Opfer einer Straftat geworden sind. Bezüglich Entschädigung und Genugtuung schlägt die Kommission zwei Varianten vor: keine Leistungen oder wie bisher subsidiäre Leistung von Entschädigung und Genugtuung, sofern das Opfer zur Zeit der Tat seit fünf Jahren in der Schweiz wohnhaft war.

Umstrittene Bundesbeiträge

Nach Ansicht der überwiegenden Mehrheit der Expertenkommission soll sich der Bund im Bereich der Opferhilfe stärker finanziell engagieren. Sie schlägt unbefristete Abgeltungen des Bundes an die Kantone für die Beratungshilfe sowie für Entschädigungen und Genugtuungen vor und sieht einen Höchstsatz von 35 Prozent der kantonalen Aufwendungen vor. Im Begleitschreiben an die Vernehmlassungsteilnehmer weist das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) allerdings darauf hin, dass solche Abgeltungen quer zu den Bestrebungen um einen neuen Finanzausgleich stehen, der den Finanztransfer des Bundes an die Kantone von Zweckbindungen befreien möchte.

Die Gesetzesrevision betrifft zwei Pfeiler der Opferhilfe: die Beratung der Betroffenen sowie die Entschädigung und Genugtuung. Der dritte Pfeiler, der Schutz des Opfers im Strafverfahren, ist im Zwischenbericht untersucht worden, der letztes Jahr zusammen mit dem Vorentwurf für eine Schweizerische Strafprozessordnung in die Vernehmlassung geschickt worden ist. Die Expertenkommission schlägt vor, in der neuen Strafprozessordnung Sonderregeln zu Gunsten der Opfer einzufügen und im Opferhilfegesetz auf Vorschriften zum Strafverfahren zu verzichten.


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Letzte Änderung 30.01.2024

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