Interview, 15. November 2021: 20 Minuten; Claudia Blumer und Daniel Waldmeier
20 Minuten: "Justizministerin Karin Keller-Sutter über mögliche Folgen der Justizinitiative, Jugendliche mit Messern und Gewalt an Frauen."
Fast jedes Wochenende sind Jugendliche in eine Messerstecherei involviert. Macht Ihnen das Sorgen?
Ja, diese Gewalt muss uns als Gesellschaft Sorgen machen. In den Nullerjahren hatten wir ebenfalls eine solche Entwicklung, da war ich im Kanton St.Gallen Regierungsrätin. Wir haben damals spezialisierte Jugendpolizisten ausgebildet und losgeschickt. Die Situation hat sich dann beruhigt.
Auch bei den Femiziden gibt es einen bedenklichen Anstieg.
Das macht mich jedes Mal sehr betroffen. Man muss aber auch sehen, dass man erst vor 20 Jahren überhaupt angefangen hat, häusliche Gewalt ernsthaft zu bekämpfen. Die Kantone haben inzwischen Fortschritte gemacht. Doch man kann noch mehr tun.
Was macht der Bund gegen Femizide?
Im Frühling habe ich die Kantone und Organisationen zu einem strategischen Dialog zum Thema häusliche Gewalt eingeladen. Es war das erste Mal, dass alle Involvierten an einem Tisch sassen und sich verbindlich dazu verpflichtet haben, dass alle in ihrer Zuständigkeit die vorhandenen Möglichkeiten ausschöpfen.
Und was wird konkret gemacht?
Wir nutzen den technologischen Fortschritt. In Spanien gibt es für Betroffene von häuslicher Gewalt Notfallknöpfe, die sie aktivieren können, wenn der Täter sich ihnen nähert. Auch werden beim Täter, je nach Risiko, GPS-Tracker installiert. In einigen Kantonen sind ab 2022 Pilotprojekte mit solchen Systemen geplant.
Bei all diesen Themen ist eine funktionierende Justiz zentral. Was passiert, wenn die Justizinitiative angenommen wird?
Seit 1848 werden unsere Bundesrichterinnen und Bundesrichter vom Parlament gewählt, das hat sich bewährt. Die Richter sind demokratisch legitimiert und repräsentieren die Bevölkerung in Bezug auf Geschlecht, Herkunft und Sprache. Ich habe nie Klagen darüber gehört. Das bewährte Wahlsystem würde ohne Not durch ein Losverfahren ersetzt. Nicht die Besten würden ausgewählt, sondern diejenigen, die Glück haben.
Heute müssen Richter ihrer Partei eine Mandatsabgabe bezahlen, und die Wiederwahl schafft eine gewisse Abhängigkeit. Finden Sie das gut?
Diese Dinge kann man diskutieren. Der Mandatsbeitrag ist nicht gesetzlich verankert, sondern eine Tradition. Ich bezahle den Beitrag auch.
Wie viel bezahlen Sie Ihrer Partei?
Als Bundesrätin 15 000 Franken.
Das Parlament lehnte die Justizinitiative fast einstimmig ab. In Umfragen erzielt die Initiative jedoch eine Zustimmung von über 40 Prozent. Politisiert das Parlament am Volk vorbei?
Nein. Es wird zu Unrecht Stimmung gemacht gegen die Parteien. Die Parteien organisieren alle Wahl- und Abstimmungskämpfe und beleben unsere Demokratie. Ein Gedankenexperiment wie das Losverfahren ist natürlich verführerisch. Wir vergessen aber, dass das Bundesgericht eine zentrale Institution der Schweiz ist. Die Richterwahlen sind doch keine Viehschau!
Weitere Infos
Dossier
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Bekämpfung der häuslichen und sexuellen Gewalt
Die Bekämpfung der häuslichen und der sexuellen Gewalt ist ein Schwerpunkt des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD). Das EJPD arbeitet zusammen mit dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI), den Kantonen, weiteren Partnern und Organisationen sowie den Städten und Gemeinden an verschiedenen Massnahmen gegen häusliche und sexuelle Gewalt.
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Bestimmung der Bundesrichterinnen und Bundesrichter im Losverfahren (Justiz-Initiative)
Heute wählt das Parlament die Bundesrichterinnen und Bundesrichter. Mit der Justiz-Initiative sollte dieses bewährte und transparente Wahlverfahren durch das Los ersetzt werden. Statt demokratisch gewählte Parlamentarier und Parlamentarierinnen sollte neu der Zufall entscheiden. Volk und Stände haben die Initiative in der Abstimmung vom 28. November 2021 abgelehnt.
Medienmitteilungen
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Reden
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Interviews
Bekämpfung der häuslichen und der sexuellen Gewalt
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Karin Keller-Sutter im "Rundschau talk"Interview, 8. Dezember 2021: SRF1, Rundschau talk
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"Das ist eine absolute Verrohung der Sitten"Interview, 25. November 2021: Blue News; Alex Rudolf, Anna Kappeler und Christian Thumshirn
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"Richterwahlen sind doch keine Viehschau"Interview, 15. November 2021: 20 Minuten
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TalkTäglich: Frauenmorde, Migration und JustizinitiativeInterview, 11. November 2021: TeleZüri, TeleBärn, Tele M1; TalkTäglich
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"Das Vertrauen der Opfer lässt sich nicht über das Strafrecht herstellen"Interview, 2. November 2021: Tages-Anzeiger, Berner Zeitung, Der Bund, Basler Zeitung
Justiz-Initiative
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"Richterwahlen sind doch keine Viehschau"Interview, 15. November 2021: 20 Minuten
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"Il sistema funziona bene e la popolazione ha fiducia nel Tribunale federale"Interview, 12. November 2021: Corriere del Ticino
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TalkTäglich: Frauenmorde, Migration und JustizinitiativeInterview, 11. November 2021: TeleZüri, TeleBärn, Tele M1; TalkTäglich
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"Abstimmungs-Arena" zur Justiz-InitiativeInterview, 6. November 2021: SRF1, Arena
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"Keine Lotterie beim Bundesgericht"Interview, 5. November 2021: FDP.Die Liberalen
Letzte Änderung 15.11.2021